Rennrad fahren und gleichzeitig etwas Gutes tun. Klingt genial und das ist die Idee beim „Lila Logistik Charity Bike Cup“. Gemeinsam mit Prominenten wie VfB-Ikone Guido Buchwald oder Tatort-Kommissar Richy Müller geht es auf einen Rundkurs rund um Ditzingen-Heimerdingen. Der Erlös der Veranstaltung geht an kranke, behinderte und sozial benachteiligte Kinder.
Letztes Jahr bin ich entspannt am Nachmittag bei der „Lila Tour“ gestartet. Ohne Zeitnahme war es ein schönes Erlebnis, aber dieses Jahr will ich mehr. Deshalb nehme ich die Herausforderung an und stelle mich dem „Lila Race“ am Vormittag. Heute will ich volle Attacke fahren und bei starker Konkurrenz wissen, wo meine Grenzen sind. So viel vorneweg: Ich werde meine Grenzen finden. Mehrmals.

Einrollen im Regen
Eine entscheidende Rolle spielt heute das Wetter. Die tatsächlichen 9 °C werden von der Wetter-App auf gefühlte 6 °C korrigiert. Ich habe spontan die Rennradschuhe für den Winter und die lange Hose angezogen. Es ist kalt.
Um 10:00 Uhr stehe ich mit meinem Team „Lila Logistik“ am Start. Unsere Teamkapitäne Dieter Baumann und Roger Kluge geben ein letztes Interview, bevor es losgeht. Pünktlich zum Start fängt es an zu regnen. Ich hoffe, dass meine Windjacke mich einigermaßen trocken hält, während vor mir Dieter Baumann locker in kurzer Hose radelt.
Die erste Runde wird langsam hinter dem Führungsfahrzeug gefahren. Der Regen wird stärker und ich bin jetzt komplett nass. Auf offenem Feld geht es direkt gegen den Wind, damit der Regen so richtig schön von vorne kommt. Was gibt es Schöneres als Sport unter freiem Himmel?

Volle Attacke beim Start
Nach der Runde zum Einrollen gibt es eine kurze Pause vor dem scharfen Start. Zum Glück hat der Regen jetzt aufgehört, so dass ich meine Jacke erstmal ausziehen kann. Meine Handschuhe sind komplett durchnässt und ich versuche sie noch auszuwringen. Plötzlich kommt die Ansage, dass es in 50 Sekunden losgeht. Ich versuche die Handschuhe wieder anzuziehen, aber sie sind noch so nass, dass ich nicht schnell genug reinkomme. Handschuhe schnell in die Trikottasche und los geht’s!
Die Ersten sprinten direkt vom Start los und wir ballern durch Ditzingen-Heimerdingen. Die Zuschauer jubeln am Streckenrand. Etwas übermütig bin ich weit vorne im Feld gestartet und will heute wissen, ob ich mithalten kann. Das Tempo ist von Beginn an hoch und ich versuche irgendwie am Hinterrad des Vordermanns dranzubleiben.

Der Kampf ums Hinterrad
Schon in der ersten von drei Runden wird mir klar, dass die Spitzengruppe zu schnell für mich ist. Deshalb sortiere ich mich in einer Verfolgergruppe ein. Der Regen hat jetzt aufgehört, aber die Straße ist komplett nass. Im Windschatten bekomme ich ständig das aufgewirbelte Wasser vom Vordermann ins Gesicht. Da muss ich einfach durch, die Kraftersparnis im Windschatten ist wichtiger.
An den kurzen Anstiegen wird mit hohem Tempo einfach durchgefahren. Immer wieder zerreißt es die Gruppen. Plötzlich fahre ich allein im Wind und ärgere mich, dass ich nicht dranbleiben kann. Von hinten kommt meist eine schnellere Gruppe und ich kann mich dranhängen.
In der zweiten Runde merke ich, wie das Wasser in meinen Schuhen bei jedem Tritt hin und her schwappt. Meine Rennradschuhe für den Winter sind eigentlich wasserdicht, aber von oben läuft mit der Zeit doch das Wasser rein. Leider findet das Wasser keinen Weg mehr aus dem Schuh und so fahren meine Füße in ihrem eigenen Aquarium.
Die Gruppen werden immer kleiner und ich bin fast durchgehend am Kämpfen, um irgendwie den Anschluss zu halten. Ich hänge mit Puls 170 im Windschatten, meine linke Wade explodiert fast und trotzdem fährt mir das Hinterrad vom Vordermann wie in Zeitlupe davon. So oft wie heute wurde ich noch nie „gedropt“.

Aufholjagd in der letzten Runde
In der dritten und letzten Runde habe ich mich fast schon meinem Schicksal ergeben. Dann passiert das Unmögliche: ich kann dranbleiben! Mit einer größeren Gruppe geht es richtig flott voran. Wir holen sogar zwei kleinere Gruppen ein, die mich kurz davor abgehängt haben. Nach all den Tiefschlägen bin ich jetzt endlich im Rennen angekommen.
Mit neuer Energie geht es in den Anstieg nach Heimerdingen. Bergauf läuft es richtig gut, dort fühle ich mich wohl. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich dieses Jahr vor allem Berge für den Ötztaler Radmarathon trainiert habe (Rennbericht vom Ötztaler Radmarathon). Bei kürzeren Rennen wie heute kann ich noch viel Erfahrung sammeln und muss gezielter trainieren, damit ich besser mithalten kann.
Nach 1:52:10 fahre ich ins Ziel. Der Sieger war schon eine knappe halbe Stunde vor mir im Ziel. Gefühlt sind mir heute alle davongefahren. Mit Platz 324 von 500 Startern bin ich allerdings im hinteren Mittelfeld im Klassement der Männer gelandet. Darauf lässt sich aufbauen.

Strahlende Gesichter bei der Kinderrunde
Ein Höhepunkt des Tages ist sicherlich die Kinderrunde. Unsere Mädels sind natürlich auch am Start. Zuerst darf unsere Kleine mit den Kindergartenkindern auf die 400-Meter-Rundstrecke. Mit Laufrädern und Fahrrädern flitzen die Kleinen über die Straße und genießen den Jubel der Zuschauer. Manche Eltern begleiten ihre Kinder und joggen nebenher, was sicher auch eine sportliche Leistung ist. Unsere Kleine fährt zum Glück ganz stolz alleine und wir können ihr vom Streckenrand zujubeln.
Danach sind die Grundschüler dran. Unsere Große gehört im Starterfeld aber eher zu den Kleinsten und radelt gemütlich hinterher. Die älteren Jungs fahren vorneweg ein richtiges Rennen und der Sieger fährt freihändig mit Jubelpose ins Ziel. Es gibt bei der Kinderrunde allerdings keine offizielle Zeitnahme, jedes Kind darf sich über eine Urkunde freuen.
Nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall wieder dabei. Ein Rennen auf abgesperrter Strecke macht einfach Spaß und die sportliche Herausforderung ist groß. Gleichzeitig gefällt mir die Idee, ein Radrennen mit wohltätigem Zweck zu unterstützen. Allein an diesem Tag wird ein Spendenerlös von 60.000 € erzielt. Wenn es im nächsten Jahr trocken und etwas wärmer wird, würden wir uns alle nicht beschweren.